Antikorruption in Frankreich

Geplante Neuregelung

Vier Jahre nach seiner Einführung, soll Sapin II, das wesentliche Antikorruptionsgesetz in Frankreich, nunmehr noch einmal deutlich umgestaltet werden. Am 19. Oktober 2021 wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt (Gauvain-Marleix), der es in sich hat. Die wichtigsten Punkte für deutsche Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen nach Frankreich haben:

 

1. Ausdehnung der Strafbarkeit auf ausländische Gesellschaften

Zukünftig soll der Straftatbestand auch auf Unternehmen angewandt werden, die – unabhängig vom Ort ihres Unternehmenssitzes – mehr als 500 Mitarbeiter haben (als Konzern!) und einen Umsatz von mind. 100 Mio. EUR erreichen. Bisher wird Sapin II nur auf ausländische Unternehmen angewandt, wenn die auch in Frankreich angesiedelt sind.

Die (ausländischen) Gesellschaften würden, wenn der Vorschlag Gesetz wird, verpflichtet, Compliance-Programme einzurichten, die den Vorgaben des französischen Rechts entsprechen (Risikoanalyse, Hinweisgebersystem, Geschäftspartnerkontrollen etc.).

 

2. Neuer Straftatbestand “Nichteinrichtung ausreichender Kontrollen”

Zukünftig sollen Gesellschaften für Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter auch strafrechtlich stärker haften. Es würde allerdings einen Verteidigungseinwand geben, wonach eine Gesellschaft nicht bestraft würde, wenn sie nachweisen kann, dass sie ausreichende Compliance-Maßnahmen eingerichtet hatte. Allerdings wird im Gesetzesvorschlag nicht beantwortet, wann Compliance-Maßnahmen ausreichend sind. (Für Deutschland geht dieser Frage insbesondere der Expertenrat Mittelstandscompliance e.V. nach. Möglicherweise werden sich dessen Antworten für Deutschland auf die Situation in Frankreich übertragen lassen)

Dieser Mechanismus würde dem “failure to prevent” im UK Bribery Act entsprechen. Ähnliche Regelungen sah auch der Entwurf zum deutschen Verbandssanktionengesetz vor, der allerdings im September 2021 der Diskontinuität zum Opfer fiel.

 

3. Änderungen für Compliance-Untersuchungen

Für Internal Investigations, die parallel zu einem Strafverfahren geführt werden, sollen zukünftig Beschuldigten- und Zeugenrechte gelten, die an die strafprozessualen Rechte dieser Beteiligten angelehnt sind. Es sollen also Belehrungspflichten, das Recht auf einen Rechtsbeistand, das Recht zu Schweigen (in Compliance-Untersuchungen!) etc. ergänzt werden. Außerdem würden Befragte die Protokolle ihrer Vernehmung redigieren können und Kommentare setzen. Alles Aspekte, die eine professionelle Compliance-Untersuchung auch in Deutschland berücksichtigt, wenngleich das nicht gesetzlich vorgegeben ist.

 

4. Deferred Prosecution Agreements (“convention judiciaire d’intérêt public”)

Daneben sollen Änderungen an den Regelungen zu CJIP vorgenommen werden, die in der gegenwärtigen Form eher selten zur Anwendung kommen. Dies vor allem deshalb, weil nach bisherigem Recht keine Garantien existieren, die die Vertraulichkeit von Informationen betreffen, die ein Unternehmen an die Verfolgungsbehörden während der Verhandlungsphase gibt. Platzen die Verhandlungen, hätte sich ein Unternehmen seiner Verteidigungsposition weitgehend begeben. Das soll sich zukünftig ändern.

Darüber hinaus soll es – in Deutschland längst Standard – ein umfassendes Akteneinsichtsrecht geben.

 

Hinweis: Ob dieser Vorschlag tatsächlich Gesetz werden wird, ist gleichwohl noch unklar. Im April 2022 werden die nächsten Wahlen stattfinden und ob der Vorschlag bis dahin umgesetzt werden kann, mag man in Zweifel ziehen.

Dr. Tobias Eggers

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