Neues Wettbewerbsregister: Mehr Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe

Vor rund einem Monat, am 25. März 2021, nahm das Bundeskartellamt das elektronische Wettbewerbsregister in Betrieb. Darin sollen – nach dem bereits am 29. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetz – Rechtsverstöße eingetragen werden, die öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigten haben. Dies schafft mehr Transparenz für die öffentliche Hand, bedeutet aber auch für Unternehmen, die regelmäßig öffentliche Aufträge erhalten, ein Risiko, von Vergabeverfahren zukünftig ausgeschlossen zu werden, wenn sie sich etwas zu Schulden kommen lassen. Gleichzeitig gibt es auch Chancen, Eintragungen in das Register zu vermeiden bzw. zu tilgen.

Steigerung der Transparenz durch elektronisches Register

Bei ihren Verfahren zur Auftragsvergabe haben die öffentlichen Auftraggeber zu überprüfen, ob die in Frage kommenden Unternehmen geeignet sind. Die Unternehmen müssen sich als fachkundig und leistungsfähig erweisen. Die damit verbundene Entscheidung, ob das Unternehmen geeignet ist, den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen, hat prognostischen Charakter und eröffnet dem Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nennt zwingende und fakultative Gründe, ein Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen. Der Auftraggeber ist dabei grundsätzlich nicht verpflichtet, sämtliche Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um die Eignung des Unternehmens zu prüfen. Daher kann die Prüfungsintensität je nach auftraggebender Stelle und Verfahren variieren. Dadurch besteht das berechtigte Risiko, dass es zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen kann. Eine ungleiche Behandlung der Unternehmen wird dadurch möglich. Diesem Risiko will man mit dem elektronischen Wettbewerbsregister begegnen, indem allen Auftraggebern im Wesentlichen die gleiche Informationsgrundlage zur Verfügung steht.

In seiner Grundkonzeption stellt das Wettbewerbsregister für Vergabeverfahren der öffentlichen Hand Informationen darüber zur Verfügung, ob ein Unternehmen wegen begangener Wirtschaftsdelikte ausgeschlossen werden kann oder muss. Es enthält Eintragungen über rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen, Strafbefehle sowie rechtskräftige Bußgeldentscheidungen. Praxisrelevante Wirtschaftsdelikte sind der (Subventions-)Betrug, das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelten, die Steuerhinterziehung, die Geldwäsche, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen sowie Korruptionsdelikte.

Die Mitteilungen über solche Vergehen an die Registerbehörde müssen unverzüglich durch die zuständigen Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden erfolgen. Genauso haben diese Behörden die Pflicht, unverzüglich zu melden, wenn eine Speicherung der übermittelten Daten im Wettbewerbsregister nicht erfolgen darf. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang diese Behörden ihrer Pflicht nachgekommen wird.

Öffentliche Auftraggeber können das Wettbewerbsregister grundsätzlich einsehen. Ab einem Auftragswert von 30.000 EUR (netto) sind diese zudem verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags bei der Registerbehörde abzufragen, ob im Wettbewerbsregister Eintragungen zu dem jeweiligen Bieter gespeichert sind.

Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen

Eine Eintragung in das Wettbewerbsregister erfolgt jedoch nicht ohne Gegenrechte des Unternehmens.

Gelegenheit zur Stellungnahme

Vor der Eintragung in das Wettbewerbsregister informiert die zuständige Registerbehörde das betroffene Unternehmen in Textform über deren Inhalt. Gleichzeitig gibt sie dem Unternehmen die Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Informationen Stellung zu nehmen. Hier ist daher Eile geboten!

Sofern das betroffene Unternehmen nachweist, dass die geplante Eintragung nicht den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten entspricht, wird von ihr abgesehen oder sie wird entsprechend korrigiert. Beispielsweise sollen strafgerichtliche Entscheidungen oder Bußgeldentscheidungen gegen Personen nur eingetragen werden, wenn ihr Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist. Die intensive Prüfung der Eintragung kann sich also lohnen, nimmt möglichweise eine gewisse Zeit in Anspruch und sollte durch einen Anwalt erfolgen. Ob die Frist zur Stellungnahme verlängert wird, liegt im Ermessen der Registerbehörde.

Auskunftsanspruch und Akteneinsichtsrecht

Über die im Register gespeicherten Information hat die Registerbehörde auf Antrag gebührenpflichtig Auskunft zu erteilen. Mehr als eine Auskunft pro Jahr ist in der Regel nicht möglich. Der Antrag auf Auskunft ist durch die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens zu stellen. Dieses Recht steht dem anwaltlichen Vertreter des Unternehmens ausdrücklich nicht zu. Er hat aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf unbeschränkte Akteneinsicht.

Antrag auf Löschung bei Nachweis der Selbstreinigung

Die Eintragungen im Wettbewerbsregister werden grundsätzlich spätestens nach Ablauf von fünf Jahren gelöscht. Weiterhin kann auch eine vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbewerbsregister beantragt und damit die Dauer der Eintragung erheblich verringert werden.

Dafür muss das Unternehmen u. a. den Nachweis der sogenannten Selbstreinigung erbringen. Eine Teilnahme an einem Vergabeverfahren ist dann wieder möglich, wenn das Unternehmen nachgewiesen hat, dass es

  1. Ausgleich für den durch die Straftat oder das Fehlverhalten entstandenen Schaden gezahlt oder sich dazu verpflichtet hat,
  2. die Aufklärung der Straftat oder des Fehlverhaltens durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und den öffentlichen Auftraggebern aktiv verfolgt hat und
  3. konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen wurden, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden (sog. Selbstreinigung).

Leider ist insbesondere die Formulierung „technische, organisatorische und personelle Maßnahmen“ sehr unkonkret. Bestimmende Faktoren sollen Größe, Struktur und Tätigkeitsbereich des Unternehmens, die Art des Delikts oder Fehlverhaltens und die jeweilige unternehmensinterne Stellung der involvierten Person sein (Begr. BT-Drs. 18/6281, S. 109). Was genau darunter zu verstehen ist, hängt vom Einzelfall ab.

In der Praxis wird die Zertifizierung der Unternehmen nach ISO 37031 bei der Selbstreinigung hilfreich sein. Der Standard für unternehmensinterne Compliance-Maßnahmen ist eine wesentliche Voraussetzung für die vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbewerbsregister. Doch er wirkt nicht nur im Nachhinein: Er dient auch schon vorher der Eindämmung von Schäden für das Unternehmen. Doch auch hier ist es ratsam, sich frühzeitig durch Anwälte beraten zu lassen, damit die Auswahl und Umsetzung passender Maßnahmen für das Unternehmen mögliche Rechtsunsicherheiten tatsächlich ausräumen.

Wird ein Löschungsantrags abgelehnt, besteht dennoch Hoffnung im Vergabeverfahren. An die Entscheidung der Registerbehörde ist der Auftraggeber nämlich nicht gebunden.

Beschwerde

Unternehmen können gegen die Entscheidung der Registerbehörde schließlich Beschwerde einlegen. In einem Beschwerdeverfahren kann das Unternehmen die mündliche Verhandlung beantragen und muss sich dabei anwaltlich vertreten lassen.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Die Inbetriebnahme des Wettbewerbsregister reiht sich in den gesetzgeberischen Trend zur „regulierten Selbstregulierung“ ein. Sorgfaltspflichten werden schon seit Längerem nicht mehr als lediglich unternehmensinterne Aufgabe wahrgenommen. Derzeitig und zukünftig werden auch (nur) national agierenden Unternehmen weitreichende Überwachungs- und Aufklärungspflichten sowohl im unternehmensinternen Bereich (z.B. HinSchG-E), aber auch im Umgang mit Kunden (z.B. im Geldwäschegesetz), Vertragspartnern sowie in der Lieferkette (s. dazu Entwurf des Lieferkettengesetzes) auferlegt. Darauf müssen sich insbesondere auch mittelständische Unternehmen umfassend vorbereiten. Eine kompetente anwaltliche Beratung ist aufgrund der weitreichenden und oftmals unüberschaubaren Compliance-Risiken damit nahezu unerlässlich.

In privaten Ausschreibungen sowie im privaten Handelsverkehr gelten die Regelungen des Wettbewerbsregisters und damit die vorherige Einsichtspflicht nicht unmittelbar. Aufgrund des zunehmenden regulatorischen Drucks auf die Unternehmen ist es jedoch zu erwarten, dass es regelmäßig im Bereich von hohen Auftragswerten erforderlich ist, eine Selbstauskunft aus dem Wettbewerbsregister vorzulegen.

In der Gesamtschau mit der kürzlich in Kraft getretenen Erweiterung des Vortatenkatalogs bei der Geldwäsche ist äußerst fraglich, inwieweit die Verurteilung bzw. die Anordnung eines Bußgeldes ein zwingender Ausschluss für Vergabeverfahren noch gerechtfertigt sein kann. Für Unternehmen, die von öffentlichen Aufträgen abhängig sind, kann die verpflichtende Eintragung einen folgenschweren und möglicherweise auch existenzvernichtenden Eingriff bedeuten. Es ist daher gut möglich, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus der Erweiterung des Vortatenkatalogs für Geldwäsche nicht bei der Entwicklung des Wettbewerbsregisters berücksichtigt hat.

Glücklicherweise können vielfältige Handlungs- bzw. Verteidigungsrechte des Unternehmens durch eine kompetente Rechtsberatung ausgeschöpft werden.

Pieter Wiepjes

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