Strafschärfung bei bandenmäßiger Steuerhinterziehung wird ausgeweitet. Zusätzliche Präventionsmaßnahmen in Unternehmen notwendig

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung – Gesetz zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung

 

Auf Initiative des Landes NRW soll der Bundestag eine weitere Verschärfung des Steuerstrafrechts beschließen. Ziel ist die Ausweitung der Strafbarkeit bandenmäßiger Steuerhinterziehung. Während das Gesetz bislang hierfür nur bei einigen Steuerarten eine Strafschärfung anordnete, soll dies nun generell erfolgen. Für Unternehmen ist das deswegen relevant, weil auch drei Mitarbeiter bei arbeitsteiligem Vorgehen eine „Bande“ im Sinne des Gesetzes bilden können.

Ziele des Gesetzesentwurfes

Mit dem geplanten Vorhaben ist eine Erweiterung der Sanktionierungsmöglichkeiten für die organisierte Steuerhinterziehung beabsichtigt. Sie möchte insbesondere neuere und gravierende Fälle organisierter Wirtschaftskriminalität bei der Steuerhinterziehung erfassen und mit einem höheren Strafmaß als bisher sanktionieren. Vor allem Cum-Ex-Geschäfte und ähnliche Gestaltungen, die Einschaltung von Treuhändern und die Steuerhinterziehung durch organisierte Schwarzarbeit sowie die Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Briefkastengesellschaften in Ländern mit niedrigen Steuersätzen seien Erscheinungsformen, die mit der aktuellen Fassung des § 370 AO nicht in dem gebotenen Maß sanktioniert werden könnten Das soll geändert werden. Durch die geplante Ausweitung soll den massiven Steuerausfällen und auch der Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil steuerehrlicher Unternehmen begegnet werden. Insgesamt sollen die Sicherung des Steueraufkommens und die Wahrung der Steuergerechtigkeit gefördert werden. Ausgeweitete Ermittlungsbefugnisse sollen helfen, diese Ziele umzusetzen.

Inhalt des Gesetzesentwurfes

Nach geltender Fassung des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vor, wenn der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Steuerhinterziehung verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt. Die aktuellen Gesetze beziehen sich bisher allein auf die Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchsteuern.

Der Gesetzesentwurf sieht nunmehr vor, die Wörter „Umsatz- oder Verbrauchssteuern“ durch das Wort „Steuern“ sowie die Wörter „Umsatz- und Verbrauchssteuervorteile“ durch das Wort „Steuervorteile“ zu ersetzen. Damit sollen künftig Hinterziehungen bezogen auf alle Steuerarten erfasst sein. Insbesondere ins Auge gefasst werden sollen damit Veranlagungssteuern, wie die Körperschafts-, Gewerbe- und Einkommensteuer.

Für alle Formen der bandenmäßigen Steuerhinterziehung soll nach der Gesetzesvorlage das erhöhte Strafmaß des § 370 Abs. 3 S. 1 StGB von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gelten. Bislang konnten die erfassten Fälle regelmäßig nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Mit der Gesetzesänderung geht eine Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 a) StPO einher. Die dort benannte Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation beschränkt sich auf bestimmte benannte schwere Straftaten. Als eine solche gilt unter anderem die Steuerhinterziehung als Mitglied einer Bande nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 StGB. Durch die geplante Erweiterung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung auf alle Steuerarten, können die Ermittlungsbehörden künftig – bei Vorliegen aller notwendigen weiteren Voraussetzungen – eine Telekommunikationsüberwachung durchführen, gleich welcher bandenmäßigen Steuerhinterziehung der Täter verdächtig ist.

Relevanz für Unternehmen

Eine bandenmäßige Begehung liegt vor, wenn sich wenigstens drei Personen zur fortgesetzten Tatbegehung zusammenschließen. Nach umstrittener Auffassung soll dies auch im unternehmerischen Kontext möglich sein, d. h. es genügt, dass sich drei Mitarbeiter eines Unternehmens über die steuerliche Vorgehensweise abstimmen. Damit besteht für Unternehmen das sehr reale Risiko, künftig auch im Bereich der Veranlagungssteuern, beispielsweise Körperschafts-, Gewerbe- und Einkommensteuer, mit dem Vorwurf bandenmäßiger Tatbegehung konfrontiert zu werden. Um dem zu begegnen, sollten steuerliche Compliance-Strukturen des Unternehmens überprüft und angepasst werden. Entscheidungen über steuerlich relevante Sachverhalte sind in angemessener Form zu dokumentieren. Zudem sollte besonderes Augenmerk auf die Darstellung bestimmter Wahlrechte und Gestaltungen in den steuerlichen Erklärungen gelegt werden.

Stand des Verfahrens und zeitlicher Rahmen für die Verabschiedung

Auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.10.2020 (BR-Drs. 638/20) wurde die Vorlage am 06.11.2020 dem federführenden Rechtsausschuss sowie dem mitberatenden Finanzausschuss des Bundesrates zur Beratung zugewiesen. Unter Anregung weniger Ergänzungen haben die Ausschüsse dem Bundesrat am 16.11.2020 (BR-Drs. 638/1/20) empfohlen, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen. Dieser Empfehlung ist der Bundesrat am 27.11.2020 gefolgt.

Der Bundestag hat nun innerhalb einer angemessenen Frist darüber zu beraten und zu beschließen. Konkrete Zeitvorgaben gibt es hierfür allerdings nicht.

 

Ulf Reuker LL.M.

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